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Sankt Martin und das Steckenpferd der Zeit


Sankt Martin hat’s nicht leicht. Früher ritt er stolz auf seinem Ross durch Schnee und Wind, teilte Mäntel und Herzen. Heute? Heute kommt er auf einem Steckenpferd daher – aus zertifiziertem FSC-Holz natürlich, klimaneutral produziert und mit recycelter Mähne. Das echte Pferd steht im Ruhestand, weil die Tierschutzverordnung nun auch für Heilige gilt.


Die Kinder schauen irritiert: „Mama, warum reitet der Mann auf einem Besenstiel?“ – „Psst, das ist der Zeitgeist, mein Schatz!“ Der Zeitgeist trägt Warnweste, reflektierende Laterne und einen QR-Code für die Mantelspende-App. Statt Fackeln leuchten Powerbanks, und der Bettler scannt den Code mit seinem Smartphone. Mantel teilen war gestern – heute heißt es „Share your warmth“, natürlich kontaktlos.


Im Anschluss gibt’s keine Martinsgans mehr, sondern „vegane Gans-Alternative auf Erbsenbasis“. Der Chor singt via Livestream, und der Posaunenengel hat sich in der Cloud eingeloggt. Der Umzug zieht nicht mehr durchs Dorf, sondern durch den Feed: #SanktMartinChallenge, präsentiert von der Energieagentur Süd.


Doch irgendwo, hinter all dem LED-Geblinke, bleibt der Gedanke lebendig. Dass Teilen wärmt, auch ohne Mantel, Pferd oder Hashtag. Vielleicht liegt die wahre Lehre des neuen Martin gar nicht im Ross, sondern im Steckenpferd – diesem wunderlich treuen Symbol kindlicher Fantasie. Denn wer auf einem Holzpferd reitet und trotzdem Herzen bewegt, hat verstanden, worum es geht: nicht um das Tempo, sondern um das Ziel.


Und so reitet Sankt Martin weiter, leise klappernd, mit einem Lächeln und einem wackelnden Pferdekopf – ins 21. Jahrhundert, wo Heiligkeit längst Bluetooth hat.

 
 
 

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